Betroffene erzählen über das Leben mit der Krankheit




Die Geschichte meiner idiopathischen Lungenfibrose

Mahmoud Lamine erzählt die Geschichte seiner idiopathischen Lungenfibrose.

Eine Geschichte, die in ähnlicher Form viele Patienten erleben.

Mit vielen Tiefen aber auch mit Zuversicht

"Ja, ich bin kurzatmig, habe einen lästigen Husten, fühle mich müde, doch es macht mich froh, dass die bedrohliche Fibrose

nicht vom Fleck kommt."          Juni 2020

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Eine betreuende Angehörige hat ihre Geschichte erzählt.

 Über die Neugestaltung des Lebens und was das Leben noch immer lebenswert macht.


Foto Pixabay
Foto Pixabay

Helga, 63 Jahre, aus Niederösterreich:

 

 

"Es hat sich alles verändert, mein Mann braucht mich nun viel mehr und das Leben ist ganz anders geworden. "

 


Wie alles begann:

Es war ein schwerer grippaler Infekt mit Fieber, Schweißausbrüchen und Erschöpfung. Dann kam Gewichtsabnahme und die vorher nicht gekannte Atemnot beim Stiegensteigen. Wir wechselten  in eine Wohnung wo es nun weniger Stufen zu bewältigen gab. Ab nun begann der lange Weg zur Diagnose. Der Hausarzt verordnete ein Lungenröntgen, es war nichts auffälliges zu erkennen, ein Lungenarzt verordnete Inhalations-Sprays, es half nichts, die Atemnot blieb. Der Verdacht auf allergische Alveolitis mit  kurzer Behandlung mit Kortison blieb erfolglos. Mein Mann fand Informationen über eine Selbsthilfeorganisation, der Leiter empfahl einen Spezialisten zu kontaktieren, so kam er ins Uniklinikum im Allgemeinen Krankenhaus in Wien.

 

Nach zwei Jahren ohne richtige Diagnose, stellte man eine idiopathische Lungenfibrose fest. Es war eine Erleichterung endlich eine Diagnose zu haben – und auch, dass es kein Krebs ist. Mit mehr Wissen über die Krankheitsprognose, relativierte sich allerdings die Hoffnung, da es Heilung nicht gibt.

 

Ab diesem Zeitpunkt war alles anders. Meine Sorge war groß, wie es nun weitergehen wird, was es zu tun gibt um das Leben noch lebenswert zu gestalten.

Nun arbeitete mein Mann in einer Patientengruppe, knüpfte Kontakte zu weiteren IPF Spezialisten und erstellte gemeinsam mit ihnen eine Broschüre über IPF zur Patienteninformation. Wir kannten nun die Prognose und stellten unser Leben darauf ein. Oft war die Lage für mich schwerer als für meinen Mann.
Er ging Schritt für Schritt weiter, zwar körperlich geschwächt, aber dem Kampf gegen IPF gewidmet.

Das gab – und gibt ihm noch heute Auftrieb und Zuversicht, noch etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft zu tun.
Unser Alltag sieht so aus, dass ich möglichst viele Arbeit abnehme, aber ihn stets animiere körperlich fit zu bleiben. Dazu gehört Ergometertraining und Wanderungen in frischer Luft abseits des Straßenverkehrs. Seine Muskeln werden schwächer wenn er sich zu wenig bewegt. So wird unser Leben täglich neu organisiert, er leidet unter permanenter Müdigkeit, da benötigt er viel Unterstützung zur Überwindung. Nebenerkrankungen wie eine Neuropathie dämpfen seine Aktivität.
Jede Reise, sei sie noch so kurz, muss genau geplant und Sauerstoff organisiert werden wenn Belastungen anstehen. An manchen Tagen sind die Wegstrecken die wir schaffen kürzer, manchmal länger. Um Exacerbationen  zu verhindern, meiden wir in Grippezeiten Veranstaltung und öffentliche Verkehrsmittel. Es gibt bei allen Aktivitäten einfach mehr zu bedenken, aber es gibt immer noch viele gemeinsame erfüllte Momente.


Mein Rat an IPF Patienten:
Denkt bitte an Kommunikation mit Familie und Freunden,  Aufgaben die das Leben  lebenswert machen,  Humor, Mut und die Fähigkeit die  eigene Fitness zu erhalten.

 

Jänner 2017


Eine Patientin und ein Patient haben ihre Geschichten über ihre Krankheit erzählt.

 

Über die Diagnose und den Krankheitsbeginn, die Einschränkungen im Alltag, die Veränderungen im Denken und Fühlen. Wie werde ich durch meine Umwelt wahrgenommen, welche hilfreichen Beziehungen stehen mir zur Seite – und was hat Priorität?

Die Texte sind authentisch und entsprechen den Interviews, sie wurden durch das Lektorat nicht verändert.
Die Interviews führte Günther Wanke.


Foto G. Wanke
Foto G. Wanke

Patientin aus Wien:

 

"Die Gedanken kreisen natürlich auch oft um die Krankheit – wie wird es weitergehen? "


Vor etwa zwanzig Jahren erkrankte ich an einer exogen allergischen Alveolitis. Als Auslöser wurden Bettfedern vermutet. Dies führte zu einem fünfwöchigen Spitalsaufenthalt
im Otto-Wagner-Spital auf der Baumgartner Höhe. Ich bekam eine Therapie mit Kortison in unterschiedlichen Dosierungen – bis dann letztlich Ende der Neunzigerjahre die Alveolitis in eine Lungenfibrose überging. In den Folgejahren bekam ich verschiedene Medikamente, zum Beispiel Interferon und Immunsuppresiva, die alle ihre Wirkung kurzzeitig zeigten – und vielleicht auch zu einer Stabilisierung des Krankheitsfortschrittes beigetragen haben. Ich habe all die Jahre genau Buch geführt und festgestellt, dass sich mein Lungenvolumen pro Jahr etwa um ein bis zwei Prozent verringerte. Ab 2010 habe ich Sauerstoff genommen, in der Öffentlichkeit mit Scheu, da mich die Reaktion der Umwelt sehr verstörte. Man wird natürlich angestarrt mit der Nasenbrille, wofür ich mich anfangs genierte, jetzt jedoch bin ich es schon gewöhnt, sodass es mir nichts ausmacht. Heute trage ich meine Nasenbrille überall erhobenen Hauptes. Das nun mittlerweile verfügbare – und in klinischen Tests freigegebene IPF-Medikament – ist für mich nicht mehr möglich, da es nur für leichte bis mittelschwere Erkrankung freigegeben wurde. Anfangs ergaben sich für mich im Alltag kaum Einschränkungen durch die Erkrankung. Bergsteigen war zwar nicht mehr möglich, doch leichte Wanderungen, Radfahren, Schwimmen, Gymnastik, Haushalt und Gartenarbeit waren kein Problem. Ich merkte schon, dass ich leichter in Atemnot kam, doch dies konnte ich gut verkraften. Derzeit  ist es so, dass ich fast keine Haus- und Gartenarbeit mehr machen kann. Gehen wird immer schwieriger, ich muss nach einigen Metern immer kurz stehen bleiben, um zu verschnaufen. Ich bin manchmal traurig, dass ich vieles nicht mehr tun kann – Rad fahren oder Bergsteigen – doch bin ich auch dankbar dafür, dass ich in meinem Leben so viele schöne Dinge erleben durfte, an die ich mich jetzt gerne erinnere. Manchmal habe ich auch ein schlechtes Gewissen meinem Ehepartner gegenüber, der sein Leben ganz auf die Situation eingestellt hat, um mich zu unterstützen. Ich empfinde das nicht als selbstverständlich, ich bin meinem Mann sehr dankbar. Die Gedanken kreisen natürlich auch oft um die Krankheit – wie wird es weitergehen? Ich bemühe mich, im Hier und Jetzt zu leben, doch leider gelingt mir das nicht immer. Die Krankheit ist doch immer präsent, wir müssen unser Leben dem, was möglich ist, eben anpassen. Mein Mann sucht immer nach neuen Wegen, um mein Dasein zu erleichtern. Mit der Erkrankung habe ich aber schon einen anderen Blickwinkel gewonnen: dass ich alles, was noch möglich ist, auch mit Freude mache, zum Beispiel spazieren gehen in schöner Umgebung, gut essen gehen, kleine Bergabwanderungen …. und dass ich alles intensiver erlebe und mich an kleinen Dingen des Lebens erfreuen kann. Eine große Hilfe ist mir auch der Computer geworden. Über das Forum der „Deutschen Sauerstoffliga“ habe ich hilfreiche Leute kennen
gelernt. Die Art, wie so ein Forum betrieben wird, finde ich sehr gut. Danach fand ich zur LOT-Austria. Über die LOT-Gruppe gibt es jetzt auch persönliche Beziehungen.

Was in meinem Leben jetzt Priorität hat:
Die Krankheit nicht dominieren lassen, versuchen Wohlbefinden – soweit möglich – zu erreichen, Harmonie innerhalb der Familie, zusätzliche Belastungen vermeiden, interessante Programme im Fernsehen und Radio ansehen beziehungsweise anhören, gute Bücher lesen, Freunde treffen und gute Gespräche führen – was sich
halt so ergibt.

Mich von meinem Mann verwöhnen lassen – und das auch annehmen können.


Foto G. Wanke
Foto G. Wanke

Patient aus Niederösterreich, 72 Jahre:

" Ich will schon etwas tun, was Sinn macht – dem Leben Sinn geben "

 

Mein Krankheitsbeginn war unspektakulär.
Allerdings wurden im Laufe der letzten Jahre die Wegstrecken immer kürzer, bis sich Kurzatmigkeit einstellte. Ich habe bis 2002 viel geraucht – und sah die Kurzatmigkeit als natürliche
Folge des Rauchens. Im Anfangsstadium haben sich auch langanhaltende Hustenanfälle bemerkbar gemacht. Die Intervalle der Besuche beim Lungenfacharzt wurden auch immer kürzer. Bei den anschließend durchgeführten Lungenfunktions- tests ergab sich eine stetige schleichende Verschlechterung der Werte. Im Herbst 2012 hat mich mein Arzt ins Wilhelminenspital überwiesen, darauf erfolgte kurzfristig eine Probenentnahme aus der Lunge im Otto-Wagner-Spital. Ich wollte das alles schnell erledigt haben. Durch diesen Eingriff hat sich der Diagnoseverdacht Lungenfibrose erhärtet.
Nach weiteren Lungenfunktionstests wurde auch seitens der Fachärzteschaft im Wilhelminenspital diese Diagnose bestätigt und das Medikament ESBRIET verordnet und von der Krankenkasse auch bewilligt. Seit März dieses Jahres nehme ich dieses Medikament regelmäßig ein. Meine Leistungsfähigkeit hat relativ schnell nachgelassen. Konkret sieht das so aus:
Solange ich mich nicht anstrenge, geht es mir gut, selbst bei geringer Belastung stellt sich Kurzatmigkeit ein. Zurzeit nehme ich drei Liter Sauerstoff pro Minute, sechzehn bis achtzehn Stunden im Tag. Ich verwende Sauerstoffkonzentratoren sowohl zu Hause stationär als auch einen mobilen Konzentrator für unterwegs.
Das ermöglicht mir vier bis fünf Stunden Bewegungsfreiheit ohne Steckdose. Trotz Sauerstoffversorgung bleibt aber die Kurzatmigkeit, ich muss einfach auch öfter rasten. Auf jeden Fall wirkt sich die Sauerstoffgabe auf die Sauerstoffsättigung im Blut aus. Das ist  für mich ein Zeichen, dass es notwendig ist, den Sauerstoff zu nehmen. Wie auch immer, ich bin doch viel unterwegs. Ich muss halt immer darauf schauen, dass ich mein Auto so abstelle, dass ich ohne Anstrengung mein Ziel erreichen kann. Ich nehme sehr gerne am gesellschaftlichen Leben teil – solange ich das kann. Zum Beispiel fahren wir jetzt zwei Tage zu Festspielen ins Burgenland. Mit zwei Konzentratoren scheint mir das kein Problem zu sein.
Natürlich kann ich nicht mehr auf die Berge gehen, nicht mehr Golf spielen. Ich beschränke mich darauf, was ich noch machen kann: Bücher lesen und als ganz wesentliches Vorhaben meine Lebensgeschichte niederschreiben. Die Idee entstand aus der Tatsache heraus, dass es auch von meinem Großvater Tagebücher, in Kurrent geschrieben, gab, die ich „übersetzte“, weil es ja sonst niemand mehr lesen kann. Ich will jetzt auch den Anschluss mit meiner Geschichte finden.
Ich will schon etwas tun, was Sinn macht – dem Leben Sinn geben. Das ist für mein Gefühlsleben von Bedeutung.
Dann sind da noch meine Aufgaben als Vereinsobmann eines Clubs mit 90 Mitgliedern. So habe ich unter anderem zehn Clubveranstaltungen und Exkursionen im Jahr zu organisieren, die ich bisher auch alle als Teilnehmer mit großem Vergnügen mitmachen konnten. Für Langeweile bleibt keine Zeit übrig. Meine Umwelt hat mich mit meiner Veränderung, Sauerstoff in der Nase, weniger beweglich, als gegeben angenommen. Ich muss mich nicht verstecken, es ist eine neue Normalität. Für mich und die Umwelt. Die Kontakte zu Freunden und Verwandten blieben, wie sie waren. Die Umgebung versucht, mir noch hilfsbereiter zu begegnen. Man nimmt mir Tätigkeiten ab, um mich zu entlasten. Ich genieße auch all die Kurzurlaube, die ich stets mit meiner Frau verbringe. Es tut ein wenig weh sehen zu müssen, wie meine Frau Tätigkeiten verrichten muss, für die ich bisher zuständig war. Ich muss das annehmen, es ist so. Im Vordergrund stehen jetzt meine neuen Ziele. Die Lebensgeschichte. Pläne für gesellschaftliche und kulturelle Begegnungen.

Ich lasse das Leben herankommen. Es ist so, wie es ist!